Mittwoch, 15. Dezember 2010

Surreal

Die erste Person, die ich "nach" der Urversammlung traf, machte vier wesentliche Aussagen - Kernsprüche - über sich, doch zutreffend für viele (er war selber nicht anwesend gewesen):
  • "einige Leute haben mir gesagt, ich solle doch hingehen - doch ich bin nur ein Unbedeutender, ich kann mich nicht zu Wort melden."
  • "die sollen doch ganz Zermatt mit einem Betondeckel zudecken, zubetonieren. Die wollen es doch so, also sollen sie es auch tun."
  • "ich bin hier nur noch wegen meiner Arbeit. Mein neues Heim ist seit Jahren in ____." (ausserkantonal - ist das der neue Trend? Zermatter suchen sich ZWEITWOHNUNGEN ausserhalb ihrer Heimat ?!?)
  • "Du hast in allen Punkten recht."
Schon vor einem Jahr hatte er mich aufgefordert dranzubleiben - er selber könne/dürfe nicht öffentlich auftreten: er befürchte einschneidende berufliche Nachteile.

  1. Eine Woche vor der Urversammlung:

    Mehrere bedeutsame Leistungsträger kontaktierten mich und baten mich für die Urversammlung zu "mobilisieren". Der Zweitwohnungsspekulation werden sonst Tür ja Tor geöffnet.

    Spekulanten, so hiess es, würden zahlreich anwesend sein.

  2. Kurz vor der Urversammlung:

    a) Tatsächlich, seltene Gesichter: (hier bezeichnend zwei besonders typische Vertreter)
    - Daniel Lauber, seit Jahren selten bis nie an Urversammlungen, es sei den es gehe um die Spekulation. Darum wurde er schliesslich auch Politiker.
    - Christian Lauber, seit er nicht mehr im Gemeinderat ist, interessierte er sich nicht mehr für Zermatt - und Hand aufs Herz: auch er war kaum für Zermatt im Gemeinderat.

    b) Krisensitzung - der Gemeinderat befinde sich in einer Krisensitzung: es sei erst eben ein Rechtsgutachten eingetroffen. Bei einem der Vorschläge der Gemeinderatsmehrheit handle es sich um eine Illegalität.

  3. Urversammlung, Traktandengenehmigung

    Eigentlich hätte das Traktadum "Zweitwohnungsreglement" wegen der neuen Lage verschoben werden müssen. Doch der Gemeinderat wollte die Peinlichkeit der letztjährigen Urversammlung nicht wiederholen: kurz vor der Versammlung feststellen, dass die Hauptgeschäfte nicht seriös vorbereitet sind. Also liess man die Traktanden stehen, obwohl im voraus klar war, dass sie nicht erledigbar sind.

  4. Traktandum 2: Protokoll

    Über 200 Leute genehmigen ein Protokoll, das sie gar nicht lesen konnten.

    234 sind anwesend (obwohl im WB der Konflikt tunlichst verschwiegen wurde - das Mobilisieren hat funktionert.)

  5. Traktandum 3: Budget

    Ich sitze zuvorderst, keine 3 Meter vor Christoph Bürgin, erhebe meine Hand. Er schaut jovial über meine Hand ins Publikum und sagt "keine Wortmeldungen". Als ich mit dem Finger schnippe, er: "wer stimmt für den Voranschlag..., wer dagegen..., wer enthält sich".



    Ich hätte ja ahnen können, dass ich an Wortmeldungen gehindert würde (obwohl ich mich absichtlich zuvor bei einem Gemeinderat informiert hatte, mit der Zusicherung, dass nichts dergleichen bekannt gemacht wurde).
    Wie ungeschickt jedoch reagierte Christoph aus Sicht aller Anwesenden. Christophs ungeschickte Total-Ignoranz muss über 200 Fragezeichen projeziert haben, ein Eindruck von Unbeholfenheit, Reaktionsinkompetenz - ein Bild das an George W. Bush erinnert, seine Reaktion als er am 9/11 vor Kameras die Nachricht über die Twin Towers erhielt.

    Diese Fragen konnte ich nicht stellen:

    - Vor einem Jahr wurde aufgezeigt, dass der Sachaufwand vor ca. 5 Jahren sprunghaft um ca 4 Millionen expansierte, und seither auf dieser unglaublichen Höhe fixiert blieb, auch im neuen Budget.
    Vor einem Jahr konnte niemand Auskunft geben warum.
    Wurde dies ernsthaft analysiert - oder bleibt diese surreale Situation wie sie ist?

    - Habe ich auf dem eben kurz eingeblendete Lichtbild richtig erkannt: vor ca. 4 Jahren stiegen die Lohnkosten genauso sprunghaft um ca 3 Millionen an und sind seither auf diesem "Niveau". Was geht ab? 6 Jahre Amtszeit und über 30 Millionen ... in nur zwei Ausgabenposten (!)

    - ARA Budget: ist es korrekt, dass bei der Vergabe das von der Urversammlung genehmigte Budget über eine Million überschritten wurde? Falls ja: ist das in der Kompetenz der Urversammlung?

    - Wird die Rechnung automatisch genehmigt? Bekanntlich - gemäss diverser "News" - gibt es in der laufenden Rechnung 2010 diverse Sonderausgaben und Postenüberziehungen. Müssen solche nachträglich von der Urversammlung genehmigt werden?

    - In der Rechnung 2009 finden wir: Tuftrastrasse, Planungskosten: 53'594.05. Die Frage dazu: stimmen die Gerüchte, dass die Tuftra anstatt über Winkelmatten über das rechte Vispa-Ufer erschlossen werden soll / wird? Nicht nur dass das viel, viel teurer ist - und nur schon dadurch (neben dem Anheizen der Neubautätigkeit) nicht im Interesse der Bevölkerung: zudem würde so das einzige Freizeitangebot ausserhalb des Tennisareals eingreifend geschädigt und vielleicht gar zerstört: der Funpark, finanziell sicher gelähmt und vielleicht sogar in den Konkurs geführt!
    Werden wir auch hier wieder, wie schon bei Bodmen- und Zerbännustrasse vor vollendete Tatsachen gestellt? (Diesmal bitte nicht lügen.)

    Mein Heimatschein ist in Zermatt. Meine Papiere sind in Zermatt. Ich habe mich nie abgemeldet. Seit mir Christoph Bürgin vo 1.5 Jahren illegal das Hotel geschlossen hat, wohne ich bei Freunden, Verwandten. Ja, ich habe keine Adresse - aber bin ich darum nicht mehr Bürger? Und falls nicht stimmberechtigt: auch nicht mal mehr wortmeldeberechtigt? Ich melde mich eh, wenn auch mir das gestern in einem Coup verunmöglicht wurde: ich fragte vor dem Versammlungsbeginn einen Gemeinderat, ob es einen solchen Beschluss gäbe - die Antwort war ganz klar nein. Der Gemeindeschreiber allerdings stellte sich mit einem Plädoyer vor: wer genau stimm- und wortmeldeberechtigt sei... Heimatschein und so... so ganz zufällig war man im allerengsten Kreis bestens vorbereitet für den Fall,
    dass ich teilnehme.

  6. Traktandum 4: Finanzplanung
    Wurde unter 3 behandelt. Hier stelle ich fest:
    - beinahe-Verdopplung der Schuldzinsen in drei Jahren
    - Investitionskosten von 24.5 Mio für die Strassen allein im Gemeindegebiet, zusätzlich zu den laufenden Kosten (momentan jährlich über 4 Mio!)
    Schon dieses mit der Spekulation, dem Ausverkauf und der Erstickung von Zermatt parallel gehende Thema allein wäre Anlass für eine Informationsversammlung. Vielleicht ahnen wir noch gar nicht, in welche Ecken Christoph mit der Baulobby schon hinplant - für 24.5 Mio Strassenbau!


    Zwischenbemerkung: ich bin kaum der Einzige, der diese Dinge feststellt - warum meldet sich niemand zu Wort? Aus Angst?


  7. Outsourcing Abfallentsorgung
    Wir wurden überrascht mit einer Rechnung für den Fall, falls die Gemeinde den Abfall wieder selber entsorgen würde. So schnell kann man an einer Versammlung unmöglich analysieren. Auch war die Rechnung absolut unspeziefisch, und der Vortragende gab klar zu verstehen, dass die Gemeinde weder die Motivation noch die Führungsqualität hat, den Auftrag in professioneller Art zu erfüllen (was für eine Selbsteinschätzung)!
    Unbedingt hätte uns Bürgern die Verantwortung gewährt werden müssen, die Rechnung im Detail zu prüfen - wie sonst können sie verantwortungsvoll die Hand erheben? Es kann ja nicht sein, dass eine Urversammlung mittels einem 10-zeilig lapidar ausgefüllten A4-Blatt innert 4-6 Minuten über 10 Jahre und zig Millionen befindet!

    Mir wurden zudem folgende Fragen verunmöglicht:

    - ist es korrekt, dass die Gemeinde in den letzten 10 Jahren knapp 10 Millionen verlor, weil der Abfall bei ordentlichem Vorgehen viel günstiger hätte entsorgt werden können? Wer übernimmt die Verantwortung dafür? (Ich war damals an der Urversammlung aufgestanden und fragte nach Gegenofferten, die der Gemeinderat unterband.)

    - ist es korrekt, dass ein Unternehmen fast analog zur Situation damals eine Gesamtlösung angeboten hat, die zusätzlich den Bauschutt entsorgen würde, und dass diese Gesamtlösung heute nicht in Betracht gezogen wird?

    - Zudem hat ein Unternehmen angeboten, die Wertstoffentsorgung selber zu bewerkstelligen, wodurch der Gemeinde Räumlichkeiten frei würden, z.B. für die Garagierung von Feuerwehrfahrzeugen, so dass beim Umschlagplatz Räumlichkeiten für den Umschlag frei würden - ist das für die Gemeindeführung tatsächlich uninteressant?

    - Und: ist es korrekt, dass gewissen Offerten gar keine Beachtung geschenkt wurde, weil eine ISO-Zertifizierung fehlte, die jederzeit nachgeholt werden könnte - zu wessen Nutzen werden Offerten unberücksichtigt - sicher nicht zum Nutzen der Steuerzahler.
    Und wo ist die Logik der gestrigen Abstimmung, ob die Gemeinde den Abfall selber entsorgen soll - hat sie etwa die entsprechende ISO-Zertifizierung schon?

Nun, da mir nichts zu sagen erlaubt war, verliess ich die Versammlung an dieser Stelle: ich war gut vorinformiert: die Traktanden Mobilfunkantennen und Umzonungen waren nicht gegen die Interessen der Bevölkerung gerichtet, und zum heissen Traktandum "Zweitwohnungen" vermutete ich korrekt: einmal mehr war der Gemeinderat inkompetent und unvorbereitet. All die Leute waren also umsonst gekommen.

Was mich bezüglich Kompetenz allerdings gerade erneut in Erstaunen versetzt ist, dass dieses Thema, das unbedingt artikelweise besprochen, erklärt und abgestimmt werden muss, nun in einem Urnengang entschieden werden soll - so steht es im WB. Ich hoffe doch, dass vor dem Urnengang eine Urversammlung einberufen wird, zur Befindung über die einzelnen Artikel. Und falls dies gemacht wird: wieso nicht direkt an der Urversammlung abstimmen???


  • Ist es korrekt Christoph (das wäre nur eine meiner Fragen unter Varia) dass die Gemeinde seit ich Fragen auf dem Blog aufwerfe, die Gesetze besser - wesentlich besser eingehalten hat? (Dies weiss ich von mehreren kompetenten und vertrauenswürdigen Quellen, u.a. von Angestellten der Gemeinde.)

Nun werde ich analysieren, ob mir gestern Wortmeldungen tatsächlich untersagt werden durften:
wenn sich in einer Gemeindeversammlung niemand mehr traut, zum Budget eine Frage zu stellen, wie können die Bürger ihre Verantwortung übernehmen, die zu über 90 Prozent das 51-seitige Pdf-Dokument nicht gelesen haben, und die Gemeinde das darin enthaltene Prekäre vertuscht?

Hätte die engste engste Gemeindespitze ihre Strategie (mich nicht zu Wort kommen zu lassen) nicht verheimlicht, hätte ich dann gestern der Gemeinde eine Postadresse angeben können, und wäre damit innert Sekunden zum Bürger geworden?

Hat dieses Ereignis der Gemeindeführung genützt - oder eher geschadet?

Ist doch irgendwie surreal, dass eine Weltkurortgemeinde über einen Blog gesteuert wird...


Sind weitere Kniffe vorbereitet?


Ps. als ich den Saal gestern frühzeitig verliess, ergab es sich, dass gleichzeitig zufällig ein Polizist aufs WC musste... ;-)

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